Als Kind fand ich die Geschichte, wie meine Großmutter nach England kam, einfach nur toll. Als verliebter Teenager fand ich sie unheimlich romantisch. Aber so richtig geglaubt, hatte ich sie eigentlich nicht.
Erst mit neunzehn, nachdem meine Großmutter gestorben war, kam ich auf die Idee, zumindest die Sache mit den Ortsnamen mal nach zu prüfen.
Das war schnell herausgefunden. Schließlich sind Wikinger in Yorkshire ein echtes Thema. Und selbst wenn ich bis dahin noch nie von der genauen Bedeutung der „by – Endung“ gehört hatte, so konnte man mir in York problemlos die Existenz dieser Endungen in Norddeutschland zu bestätigen. Im nachhinein frage ich mich, warum ich nicht einfach in einen Weltatlas geschaut habe, aber ich war schon immer etwas umständlich.
Ich hatte eine Ausbildung als Schriftsetzer hinter mich gebracht, und wollte eigentlich nach Cambridge, um dort Kunst zu studieren. Einen Platz hatte ich bereits.
Drei Wochen vor Studienbeginn, setzte ich mich in die Fähre nach Hamburg, um den Ort zu besuchen, den meine Großmutter, immer als ihren Geburtsort beschrieben hatte. Dort angekommen, war ich schlicht aus dem Häuschen. Denn alles sah noch fast genau so aus, wie sie es immer so lebendig in ihren Geschichten beschrieben hatte. Natürlich gab es im Ort niemanden mehr, der so alt war, sich noch an meine Großmutter erinnern zu können. Aber auf dem Friedhof zwei Orte weiter, fand ich tatsächlich Grabsteine mit ihrem Mädchennamen. Leider lebte in der näheren Umgebung niemand mehr mit diesem Namen. Und so muss ich annehmen, dass ihre Geschwister entweder im Krieg umgekommen, oder sich unter anderen Namen verheiratet hatten.
Ob mein Großvater mit seinem Fischerboot einst tatsächlich quer über die Nordsee segelte, konnte ich nicht mehr herausfinden. Aber ich stelle es mir gerne vor.
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Sonntag, 9. März 2008
Mittwoch, 5. März 2008
Geschichten meiner Großmutter; ihre eigene
Früher, als ich noch in „old“ Grumby wohnte, lebte auch meine Großmutter noch.
Sie war unheimlich alt (jedenfalls kam mir das immer so vor), und sie war geboren in Deutschland. Genauer gesagt, in Schleswig Holstein. Was ich neben ihren Backkünsten am meisten an ihr schätzte, war die Art, wie sie Geschichten erzählen konnte.
Eine dieser Geschichten war die, wie mein Großvater sie mit einem Trick (so nannte sie es) einst nach England gelockt hatte.
Aus irgendwelchen Gründen, war mein Großvater mit seinem Fischkutter, einmal quer über die Nordsee geschippert. Dabei umrundete er Dänemark, und landete letztlich auf der Ostseeseite Schleswig Holsteins. Das war Anfang der dreißiger Jahre. Meine Großmutter war damals siebzehn, und sie verliebte sich augenblicklich in jenen gutaussehenden Mann, der sogar ein großes Fischerboot sein eigen nennen konnte. Auch mein Großvater hatte sich verliebt. Er schrieb, da er kaum deutsch konnte, den Namen des Ortes auf, aus dem er stammte: Grumby.
Nun muss ich vielleicht dazu sagen, dass an jener Küstenseite Schleswig Holsteins, ebenso wie in Yorkshire, viele Ortsnamen mit der Silbe „by“ enden. Dies ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, in der die Wikinger in eben diesen Regionen siedelten. Bei den Wikingern bedeutete „by“ nichts anderes als Ort, Siedlung oder Stadt. Auch wenn der Name des Ortes, aus dem meine Großmutter stammte, nicht auf „by“ endete, kannte sie doch genug Namen von umliegenden Dörfern, um berechtigt anzunehmen, dass der Mann ihrer Träume sicher nur ein paar Orte weiter wohnt. Weiter war meine Großmutter allerdings noch nicht herum gekommen. Autos, so genannte Motorkutschen, fuhr zu jener Zeit nicht einmal der größte Bauer des Ortes. Und bis auf den nächsten großen Ort mit Kirche, hatte meine Großmutter damals noch nicht viel von der Welt gesehen.
Das war also, laut meiner Großmutter, der Trick ihres Mannes gewesen, sie aus Deutschland fort zu bringen. Ich allerdings vermute, dass er einfach nur ehrlich ihr gegenüber sein wollte, als er den Namen aufschrieb. Und sicher war er ziemlich erstaunt, dass ihm dieses junge Ding einfach so nach England folgen wollte.
Sie packte also ihre Sachen und holte sich den Segen, sowie ihre Aussteuer vom Vater. Und der war im Grunde froh, seine jüngste Tochter (er hatte derer fünf) bei einem Fischer mit eigenem Boot gut versorgt zu wissen.
Die Fahrt nach Grumby dauerte natürlich doch länger, als meine Großmutter erwartet hatte. Aber als frisch Verliebte verging ihnen die Zeit dennoch wie im Fluge.
„An die Sprache musste ich mich erst noch gewöhnen, aber sonst sah eigentlich alles genau so aus, wie bei uns zu Hause. Sanfte Hügel, Meer. Sogar der Schlag von Menschen war derselbe. Ich habe mich sofort wohl gefühlt.“
Tatsächlich ist meine Großmutter nie wieder nach Deutschland zurück gekehrt.
Sie war unheimlich alt (jedenfalls kam mir das immer so vor), und sie war geboren in Deutschland. Genauer gesagt, in Schleswig Holstein. Was ich neben ihren Backkünsten am meisten an ihr schätzte, war die Art, wie sie Geschichten erzählen konnte.
Eine dieser Geschichten war die, wie mein Großvater sie mit einem Trick (so nannte sie es) einst nach England gelockt hatte.
Aus irgendwelchen Gründen, war mein Großvater mit seinem Fischkutter, einmal quer über die Nordsee geschippert. Dabei umrundete er Dänemark, und landete letztlich auf der Ostseeseite Schleswig Holsteins. Das war Anfang der dreißiger Jahre. Meine Großmutter war damals siebzehn, und sie verliebte sich augenblicklich in jenen gutaussehenden Mann, der sogar ein großes Fischerboot sein eigen nennen konnte. Auch mein Großvater hatte sich verliebt. Er schrieb, da er kaum deutsch konnte, den Namen des Ortes auf, aus dem er stammte: Grumby.
Nun muss ich vielleicht dazu sagen, dass an jener Küstenseite Schleswig Holsteins, ebenso wie in Yorkshire, viele Ortsnamen mit der Silbe „by“ enden. Dies ist ein Überbleibsel aus jener Zeit, in der die Wikinger in eben diesen Regionen siedelten. Bei den Wikingern bedeutete „by“ nichts anderes als Ort, Siedlung oder Stadt. Auch wenn der Name des Ortes, aus dem meine Großmutter stammte, nicht auf „by“ endete, kannte sie doch genug Namen von umliegenden Dörfern, um berechtigt anzunehmen, dass der Mann ihrer Träume sicher nur ein paar Orte weiter wohnt. Weiter war meine Großmutter allerdings noch nicht herum gekommen. Autos, so genannte Motorkutschen, fuhr zu jener Zeit nicht einmal der größte Bauer des Ortes. Und bis auf den nächsten großen Ort mit Kirche, hatte meine Großmutter damals noch nicht viel von der Welt gesehen.
Das war also, laut meiner Großmutter, der Trick ihres Mannes gewesen, sie aus Deutschland fort zu bringen. Ich allerdings vermute, dass er einfach nur ehrlich ihr gegenüber sein wollte, als er den Namen aufschrieb. Und sicher war er ziemlich erstaunt, dass ihm dieses junge Ding einfach so nach England folgen wollte.
Sie packte also ihre Sachen und holte sich den Segen, sowie ihre Aussteuer vom Vater. Und der war im Grunde froh, seine jüngste Tochter (er hatte derer fünf) bei einem Fischer mit eigenem Boot gut versorgt zu wissen.
Die Fahrt nach Grumby dauerte natürlich doch länger, als meine Großmutter erwartet hatte. Aber als frisch Verliebte verging ihnen die Zeit dennoch wie im Fluge.
„An die Sprache musste ich mich erst noch gewöhnen, aber sonst sah eigentlich alles genau so aus, wie bei uns zu Hause. Sanfte Hügel, Meer. Sogar der Schlag von Menschen war derselbe. Ich habe mich sofort wohl gefühlt.“
Tatsächlich ist meine Großmutter nie wieder nach Deutschland zurück gekehrt.
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